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Channel: Kommentare zu: 89/100: Train To Doomsville
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Von: Peter Linse

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<strong>Wie ein kleiner dicker Ritter nach Bippen kam</strong></p><p> </p><p><strong>Vor vierzig Jahren entstand das Fiz Oblon</strong></p><p> </p><p>Am 22. Dezember 1978 öffnete im ehemaligen Gasthof Joachim in Bippen das Fiz Oblon. In dieser Diskothek mit Kneipe und Teestube standen berühmte Pop- und Rockmusikgrößen auf der Bühne: Herman Brood, die Kalifornier Nick Gravanites und John Cippolina (Ex Quicksilver Messenger Service), die holländischen Gruppo Sportivo und sogar die britische Artrock-Band Caravan – um nur einige bedeutende Künstler zu nennen. Das anstehende Jubiläum macht nachdenklich: Wem und wie gelang es eigentlich, einen solch einflussreichen Club, an den sich viele heute noch gern erinnern, erfolgreich zu etablieren? Manche Gäste hatten sich schon damals gewundert, warum ein Flecken wie Bippen im Osnabrücker Nordland einen so großen Musikclub besaß? Und manche werden sich heute fragen: Nach welchen Songs haben wir damals eigentlich getanzt? </p><p> </p><p><strong>Die Initiatoren</strong></p><p> </p><p>Das Gründungsteam des Fiz waren Udo Bendig (Cloppenburg), Horst Hörig (Bippen/später Nortrup), Peter Linse (Quakenbrück), Ute Rocho (Quakenbrück), Ingeborg Scheier (Borg) und Franz Joseph Thien genannt Dixie (ebenfalls aus Cloppenburg). Diese mutigen Musikliebhaberinnen und -liebhaber und HiFi-Freaks wurden bei ihren umfangreichen Vorbereitungen u. a. unterstützt von Roswitha Gieschler, Heinz Schulte und später auch Norbert und Änne Konrad. Weitere gute, engagierte Seelen hinter den Theken kamen später dazu, darunter auch Martin Wüst. Martin übernahm später das Fiz und führte den Club in Berge und Nortrup weiter. </p><p> </p><p><strong>Fiz Oblon Bippen Hauptstraße 5</strong></p><p> </p><p>Den alten Gasthof Joachim als Standort für eine neue Diskothek auszuwählen, geht auf einen Idee von Horst Hörig zurück. Horst hatte sich in der Szene unserer Region bereits zuvor einen Namen gemacht. Zum einen war er ein sehr geselliger, gesprächiger und kontaktfreudiger Mensch, zum anderen fiel er durch seinen weißen VW Käfer Cabrio und seine seltenen Lederjacken in der Szene auf. Zur Höchstform gelangte Horst allerdings als DJ mit der Fertigstellung des Fiz Oblons. Dort konnte er erstmalig am 22. Dezember sein musikalisches Set den Besuchern präsentieren. Aber dazu später mehr.</p><p> </p><p><strong>Westcoast-Music und Mitternachtskonzerte</strong></p><p> </p><p>Das Gründungsteam benannte seinen Club nach einer sympathischen Figur aus der Augsburger Puppenkiste. Es war ein kleiner dicker Ritter, der in der beliebten Kindersendung gegen das Böse kämpft: Fitz Oblong. Vermutlich aus markenrechtlichen Gründen oder weil es schlichtweg besser aussah und einfacher zu gestalten war, wählte man die Schreibweise Fiz Oblon. Für diesen Namen entwickelte Horst u. a. einen markanten Schriftzug. Dieser leuchtete später in Neon an der Rückwand der Bühne. Außerdem zeichnete (!) Horst das Eröffnungsplakat, das in allen Gemeinden um Bippen herum, bereitwillig aufgehängt und später auch gerne aufbewahrt wurde.</p><p> </p><p>Horst Hörig hatte in Bremen einige Semester Grafikdesign studiert. Vielleicht ist es kein Zufall: In seiner Plakatzeichnung für das Eröffnungsplakat kann man gewisse Anleihen zum Jugendstil der Künstlerkolonie Worpswede entdecken. Auch Ähnlichkeiten zu einem LP Cover der englischen Band Humble Pie zu vorhanden. </p><p> </p><p><strong>Ein großes Wohnzimmer mit toller Anlage</strong></p><p> </p><p>Die Einrichtung des Fiz sollte zu anderen Diskotheken wie dem Hyde Park in Osnabrück oder dem Dorfkrug Varelbusch einen Kontrapunkt setzen. So wollte das erste Fiz-Team seinen Besuchern Räume zum Relaxen mit guter Musik anbieten und - wie in einem großen erweiterten Wohnzimmer mit toller Anlage - vor allen Dingen positive Emotionen bei seinen Gästen wecken. Die Wände des Saales gestaltete man mit Korktapeten, dazu kamen Gummipalmen und Schwingsessel eines Möbelhauses mit vier Buchstaben. Hinzu beklebte das Team eine Rückwand des Saales mit Spiegeln, durch die man zur Kneipe und Teestube gelangte. Das sah nicht unbedingt nach einer Rockdiskothek mit Sesseln vom Sperrmüll aus, sondern eher nach gehobenem Club-Niveau, eine Art alternative Designer-Disco – und das sollte beim Publikum ankommen. </p><p> </p><p>Anfang Dezember rückte der Eröffnungstag näher. Die Kunststoffpalmen mussten noch in große Plastikfässer eingegipst werden. Der Dielenboden des alten Saals wurde zum Teil für eine Tanzfläche präpariert und die große Saaldecke sollte im Himmelblau erscheinen. Weitere Wände mussten tapeziert und gestrichen werden, die Tanzfläche mit Kunststoff gefliest. </p><p> </p><p>Pünktlich um 20:00 Uhr öffnete das Fiz am 22. Dezember. Die Besucher strömten hinein und alle Straßen rund um das Fiz waren zugeparkt. Sogar einige Autokennzeichen aus Bremen waren zu sehen. Die Bippener waren perplex: Dixie, Horst, Ingi, Peter, Udo und Ute hatten für diesen Tag ihr Ziel erreicht und der Erfolg ging noch lange weiter.</p><p> </p><p><strong>Ein Gast erinnert sich</strong></p><p> </p><p>Reinhard Fanslau, damals 18 Jahre alt und Gymnasiast am Artland Gymnasium, ist heute Redakteur beim Emsland Kurier. Reinhard erinnert sich: „Am zweiten Weihnachtstag 1978 war ich das erste Mal da. Das Weihnachtsessen bei meinen Verwandten war mir egal. Ich hab meinen Cousin und noch eine Bekannte eingesackt und ab ging es zum Fiz. Der erste Eindruck war überwältigend; diese Sitzecken, diese riesig lange Theke, die Teestube, diese coolen Leute und alles andere waren genau nach unserem Geschmack. Und vor allem die Musik. Passend zur Eröffnung des Fiz hatten wir gerade eine Jazzrock-Phase. Unsere Helden waren Billy Cobham, Stanley Clarke, Weather Report, Airto Moreira, Spyro Gyra, etc. Und genau das spielten sie im Fiz. Ich erinnere mich, dass sich die Tanzfläche bei u. a. folgenden Stücken in Sekundenschnelle füllte, „Stratus“ von Billy Cobham, „School Days“ von Stanley Clarke oder „Birdland“ von Weather Report. Genau unsere Musik. Mit Grover Washington und seinen endlosen Saxophon-Jazz-Improvisationen konnten wir nicht so viel anfangen. Da sind wir meistens zu Änne in die Teestube gegangen, haben einen Wildkirsch-Tee getrunken und abgewartet, bis sich Grover Washington ausgegroovt hatte.“</p><p> </p><p><strong>Zehn Songs die Weihnachten vor 40 Jahren im Fiz liefen</strong></p><p> </p><p><strong>Eric Gale</strong> - Ginseng Woman (Link folgt)</p><p> </p><p><strong>George Benson</strong> - The Wind and I (Link folgt)</p><p> </p><p><strong>Donny Hathaway</strong> - In The Ghetto (Link folgt)</p><p> </p><p><strong>Stretch</strong> - Why did you do it (Link folgt)</p><p> </p><p><strong>Tim Buckley</strong> - Sweet Surrender (Link folgt)</p><p> </p><p><strong>Al Jarreau</strong> - Wan to be (Link folgt)</p><p> </p><p><strong>Stevie Wonder</strong> - Sir Duke (Link folgt)</p><p> </p><p><strong>Johnny Guitar Watson</strong> - A Real Mother For You https://www.youtube.com/watch?v=0z-hKprKdII</p><p> </p><p><strong>Grover Washington</strong> - Mr. Magic https://www.youtube.com/watch?v=2Jvdy6khEmA</p><p> </p><p><strong>Pointer Sisters</strong> - Yes we can can https://www.youtube.com/watch?v=FVxv6AFt7YM</p><p> </p><p><br> <br> </p><p> </p><p><strong>Erstklassiger Sound mit Transrotor und Electrovoice</strong></p><p> </p><p>Peter Linse und Horst Hörig hatten gemeinsam die Tonanlage ausgewählt. Sie setzten auf erstklassigen Klang und hervorragende Musikwiedergabe. Beides sollte die Gäste zum Staunen bringen und vor allen Dingen auch dazu, weite Anfahrtswege für einen Besuch des Fiz Oblons in Kauf zu nehmen. </p><p> </p><p>Udo Bendig war für die Eintrittskasse und die Sicherheit zuständig. Dixie brachte gastronomisches Wissen und weitere gute Kontakte ein. Ingeborg übernahm die Verantwortung für die Teestube, Ute für die Kneipe.</p><p> </p><p>Michael Kuhlmann, damals 18 Jahre und Schüler am Gymnasium Bersenbrück, betreibt heute das OXMOX in Osnabrück. Michael legte öfters in den Jahren 1981 bis 1983 im Fiz Oblon in Bippen auf. Gemeinsam mit Horst Hörig fuhr er öfters zum Plattenladen EAR nach Bremen. Dort kauften sie das neuste Vinyl für das Fiz ein. Michael erinnert sich an folgende Songs auf den Plattentellern:</p><p> </p><p><strong>Charles de Gaulle</strong> - Exposition</p><p> </p><p><strong>Martha and the Muffins</strong> - Echo Beach</p><p> </p><p><strong>Sisters of Mercy</strong> – Temple of Love</p><p> </p><p><strong>The Police</strong> - So Lonely</p><p> </p><p><strong>Crusaders</strong> – Street Live</p><p> </p><p><strong>Average White Band</strong> – Pick up The Pieces</p><p> </p><p><strong>U2</strong> – Party Girl</p><p> </p><p><strong>Iggy Pop</strong> – Bang Bang</p><p> </p><p><strong>Joe Farrell</strong> – Night Dancin</p><p> </p><p><strong>Little River Band</strong> – It’s A Long Way There</p><p> </p><p><strong>Ideal</strong> – Blaue Augen</p><p> </p><p><strong>Greg Kihn Band</strong> – Remember</p><p> </p><p><strong>The Cure</strong> – Boys Don’t Cry</p><p> </p><p>King Brownie, Jahrgang 1961, war ab 1979 einer der Plattenchefs beim Musikhaus Rohlfing in Osnabrück und ab 1981 einer der beliebtesten DJs im Osnabrücker Hyde Park. Er arbeitet heute als Bereichsleiter in einem großen Elektronikmarkt in München. Er berichtet: „So oft war ich nie im Fiz Oblon. Ich war zu dem Zeitpunkt ja nicht motorisiert und außerdem waren wir Hyde-Park-Typen immer etwas zu arrogant und hatten nie Zeit, um in andere Läden zu fahren. Wir sahen da aber auch keinen Sinn drin. Daher war ich nur 2 oder 3 x da. Auffallend war die gute Anlage, die die hatten. … Dass das auch mal Kult werden würde, hätte ich damals nie gedacht … RESPEKT!“</p><p> </p><p><strong>Livemusik</strong></p><p> </p><p>Peter Linse war neben den vielen kaufmännischen Aufgaben gemeinsam mit Horst Hörig für die Livemusik zuständig. Beide knüpften Kontakte zu der Amsterdamer Konzertagentur Tumasi und dem Hamburger Tourneeveranstalter Blindfish. Über diese Agenten gelang es ihnen, Bands wie Vitesse, Herman Brod, Wolfgang Schlüter, die Sunny Jim Band, Gruppo Sportivo, Lake, die skandinavischen Jukka Tolonen Band und Janne Schaffer für die so genannten Mitternachtskonzerte zu verpflichten. Eintritt: 5 DM. Auch lokale Newcomer wie Surplus Stock standen im Fiz gerne auf der Bühne, in wechselnder Besetzung mit Bob Giddens (Voc, Guitars), Thomas Zimmermann (Drums), Matthias Wissmann (Keyboars), Christian Schnaak (Drums), Tex Morton (Guitar) und Carsten Mohring am Bass.</p><p> </p><p><a></a> <strong>Wie Horst Hörig sein Musikprogramm entwickelte</strong></p><p> </p><p>Ich erinnere mich, dass Horst in der Vorbereitungszeit immer davon sprach, dass sogar Leute aus seiner Studienstadt Bremen ins Fiz kommen sollten und alle Musikerinnen und Musiker aus der nahen und entfernten Region ebenso. Mit seinen vielfältigen inneren Bildern und seiner Vorstellungskraft war er – aus meiner Sicht – die am meisten treibende kreative Kraft bei der Gestaltung des Fiz. Und ich hoffe, dass mir meine Erinnerung keinen Streich spielt.</p><p> </p><p>Horst Hörig war in Bippen aufgewachsen. Er hatte vier Geschwister und schon früh seinen Vater verloren. Später lebte er mit seiner Mutter in Nortup. Dort hatte sie eine Anstellung bei der Fleischwarenfabrik Kemper gefunden. Sie lebten in einer Villa mit großem Garten an der Hauptstraße in Nortrup, und zwar direkt über der Wohnung der Witwe von Hermann Kemper, einer der Urväter der Magnetschwebebahn. Dieses Haus, das heute nicht mehr existiert, lag nicht weit von meinem Elternhaus entfernt und so kam es, dass ich Horst schnell näher kennen lernte. Oft war es so, dass er vor der Fiz-Zeit am Wochenende bei uns klingelte und um eine Mitfahrgelegenheit zur Diskothek Scala nach Lastrup fragte. Zuerst war es meine Schwester, die uns chauffierte, später waren wir gemeinsam mit Kalle aus Alfhausen unterwegs. Jahrzehnte später wollte es die Ironie des Schicksals, dass das Nortruper Fiz Oblon unter Martin Wüst schräg gegenüber von Horst ursprünglicher Nortruper Wohnung im ehemaligen Gasthof Rietbrock aufmachte.</p><p> </p><p>Wenn man Horst besuchte, saß er oft in seinem Zimmer. Den Kopfhörer übergestülpt, hörte er neue und ältere Langspielplatten ab und machte sich zu den einzelnen Songs beschreibende Notizen wie „cool“, „sweet“, „relaxed“. Von der unteren Wohnung drang klassische Musik der schwerhörigen Witwe Kemper nach oben. Aktuelle Musikzeitschriften („Sounds“) und viele Tonträger füllten den Raum. Tonträger von Bands, deren Namen mir damals noch nichts sagten, standen überall herum: LPs von Westcoast-Musikern und Jazzrockern wie Steve Miller, George Benson, Johnny Guitar Watson, Tim Buckley, Gabor Szabo, Eric Gale, Brothers Johnson, Jackson Brown, Al Jarreau, Raul de Souza oder John Handy. Ehrlich gesagt: Damals, 1978, konnte ich mit den Namen nur wenig anfangen. Vieles war absolut neu und unbekannt. Unsere Jugendszene rund um Quakenbrück speziell im Quakenbrücker Jugendzentrum war Mitte der Siebzigerjahre eher von Birth Control, Frumpy, Can, Deep Purple, Black Sabbath, Led Zeppelin infiziert und vor allem auch durch den Krautrock, Progressivrock, englischen und holländische Bluesrock - alles Musik, die Wolfgang Schönenberg in seiner Diskothek Scala mit aufregender Lightshow in Perfektion bekannt gemacht hatte.</p><p> </p><p>Horst war einer der wenigen, die das Musikprogramm von Wolfgang Schönenberg (Scala Lastrup) kritisierten. Nach seinem Geschmack müsse man alles ganz anders machen. Viele seiner Bekannten waren skeptisch, aber seine Beharrlichkeit hatte in den ersten Jahren des Fiz Oblons großen Erfolg. Das Fiz Oblon war lange Zeit ein sehr beliebter Treffpunkt für die Szene von Meppen, Lingen, Haselünne, Cloppenburg und Vechta. Lange dauerte es allerdings nichts, bis weitere Clubs mit ähnlichen Konzepten aufmachten und als Konkurrenten auf den Markt drängten. All Things Must Chance.</p><p> </p><p>Text und Recherche: Gisbert Wegener im Oktober 2018 </p><p> </p><p><br> <br> </p><p> </p>

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